Hessischer Verkehrsspiegel

Ein Feld der Abhängig- keiten: Eine durchdachte Strategie ist die Basis, auf der Datenerhebung, Analyse, Auswertung und Prognosen aufbauen Ersetzen wird KI auf absehbare Zeit nieman- den, aber die Arbeit der Mitarbeiter deutlich unterstützen ■ Thomas Mechelke; Quelle: Fraunhofer IML, “Whitepaper. Künstliche Intelligenz in der Logistik” Fotos: Shutterstock/carlos castilla, Shutterstock/NicoElNino, Shutterstock/Blue Planet Studio, Shutterstock/Aun Photographer A ngesprochen auf das Thema KI fallen Tim Baumeister, Projektleiter Truck Parking der KRAVAG, spontan zwei Sätze ein: „Ganz, ganz wichtig“, aber auch „Da muss sich noch viel tun“. Das Wichtigste sei die Digitalisierung möglichst vieler Informationen und Prozesse. „Ohne geht es nicht. Nur auf der Grundlage einer vernünftigen Datenbasis lassen sich die Vorteile von KI ausspielen“, sagt er. Besagte Vorteile sieht er zum Beispiel im Büro gerade auch kleiner oder mittlerer Unterneh- men: „Wenn ein KI-gestütztes Pro- gramm zum Beispiel ein Angebot oder eine Rechnung schon mal vorbereitet und der Mensch nur noch kontrolliert, ist das eine riesige Erleichterung.“ Routenführung sieht er als weiteres kommendes Highlight: „Wenn ich eine Software habe, die mir automatisch zum Beispiel die perfekte Begegnungs- fahrt anbietet, profitieren alle davon.“ Das würde nicht zuletzt auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen, weil mehr Ladung pro Liter Diesel transportiert wird. Ein wichtiges Thema auch für Transporteure, von denen der Auftrag- geber einen Nachhaltigkeitsnachweis verlangt. „Die Berechnung – gerade auch, wenn es um Teilladungen geht – ist so komplex, das kann eine KI einfach besser.“ Auch an ganz anderer Stelle sieht er großes Potenzial: „Ohne Fahrer aus Osteuropa funktioniert unser Logistik- Markt nicht, aber an der Rampe gibt es immer noch riesige Verständigungspro- bleme. KI in Form einer vernünftigen Sprach-App könnte sehr viel bewegen und auf beiden Seiten zudem für ein besseres Arbeitsklima sorgen.“ Für den rollenden Verkehr erwartet er nicht nur eine intelligentere Routenplanung dank der neuen Technologie, sondern auch bessere Chancen für bereits im Test be- findliche Ideen wie das Platooning. Als Mitarbeiter der KRAVAG kennt er natürlich auch Nahziele: „Im Pkw-Bereich haben wir bei Unfällen bereits eine teilautomatisierte Schaden- aufnahme. Das wünsche ich mir auch für den Lkw-Bereich!“ Auch bei der KRAVAG beobachtet man das Thema KI mit hoher Aufmerksamkeit. Tim Baumeister , in der Hauptsache verantwortlich für das Thema Truck Parking, gibt einen Ausblick auf Möglichkeiten und Herausforderungen. Chancen nutzen Noch ist viel Arbeit zu leisten, aber die Entwicklung verläuft exponenziell: Neuronale Netze und Machine Learning in der Logistik haben Potenzial NEURONALE NETZE Eine zentrale Anwendung Künstlicher Intelli- genz sind künstliche neuronale Netze. Die Idee lehnt sich an den Aufbau des menschlichen Gehirns mit seiner flexiblen, vielfachen Ver- netzung der Nervenzellen an. Bei den künst- lichen neuronalen Netzen stehen miteinander verknüpfte Algorithmen für die Nervenzellen. Eine erste Gruppe (die sogenannte Ein- gabeschicht) von Algorithmen übernimmt die bereitgestellten Daten und übergibt sie gewichtet (von besonders stark beachten bis besonders wenig beachten) an die sogenann- te Black Box, die „verborgene Schicht“. Das sind beliebig viele weitere Ebenen von Algorithmen, die die Daten ihrerseits ge- wichten und weiterreichen. Am Ende steht die Ausgabeschicht, die die verarbeiteten Infor- mationen als Ergebnis auswirft. Ganz konkret also zum Beispiel „Gefahrgutlabel XY erkannt“ oder „Pickingverfahren Z erkannt“. aus einem Regal des Lagers. So lässt sich nicht nur analysieren, welcher Aufwand für die einzelnen Arbeitsschritte notwendig ist und wo effizientere Möglichkeiten für Kostensen- kungen sorgen. Genauso wichtig ist auch das Erkennen von potenziell gesundheitsschäd- lichen Bewegungen, denen nun aufgrund der neuen Erkenntnisse zum Schutz der Mit- arbeiter entgegengewirkt werden kann. Sehr gute Ergebnisse erzielt KI auch bei der Ladungszusammenstellung. Wie sind die verschiedenen Dimensionen des Ladeguts am platzsparendsten zu kombinieren, um das Ladevolumen des Lkw bestmöglich auszu- nutzen? Gleichzeitig darf natürlich auch die Ladungssicherung nicht vernachlässigt wer- den. KI ist hier in der Lage, gleich eine ganze Reihe von Anforderungen mit einzubeziehen und jederzeit eine optimierte Lösung vorzu- schlagen. Und ist der Lkw auf der Straße, kann bekanntermaßen jederzeit etwas dazwischen- kommen: Ein Unfall führt zur Sperrung der Autobahn, und schon wird der avisierte Liefertermin fraglich. Statt aufgrund des Zeit- mangels auf die erstbeste Lösung zurückzu- greifen, kann Machine Learning zum Einsatz kommen. Nach und nach wird KI lernen, aus den Möglichkeiten von Transportrouten, Zusatztransporten oder verlängerten Öff- nungszeiten für die Warenannahme jederzeit kurzfristig einen optimierten Vorschlag zu erstellen. Ein reibungsloser Datenfluss zwi- schen Ladegut, Verkehrsträgern, Disposition und Kunde kann den Unternehmenserfolg beflügeln 8 9 SCHWERPUNKT | Hessischer Verkehrsspiegel 03/2023

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